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Zum Thema Arbeitsrecht
- Abhängig beschäftigt: Wann Rallyefahrer als Arbeitnehmer gelten und nicht als Selbständige
- Bitcoin statt Euro? Bundesarbeitsgericht bewertet Lohnzahlungen in Kryptowährung
- Fristen bei Betriebsratswahl: Bundesarbeitsgericht sieht in frühzeitiger Bekanntgabe von Vorschlagsliste kein Problem
- Krankgeschrieben beim Karneval: Wer Genesung verzögert oder Krankheit verschlimmert, muss mit Kündigung rechnen
- Teurer Softwaretest: Arbeitgeber gibt zu viele Daten preis und muss zahlen
Das Landessozialgericht Hessen (LSG) musste das Ergebnis des Rentenversicherers prüfen, der seinerseits nach einer beantragten Prüfung festgestellt hatte: Dieser Rallyefahrer und sein Beifahrer sind keine Selbständigen, sondern abhängig Beschäftigte. Die Zeichen dafür, dass die Deutsche Rentenversicherung (DRV) richtig lag, waren deutlich.
Eine Autofirma stellte infrage, dass ihre Rallyefahrer selbständig waren, und stellte deshalb einen Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung. Die Firma hatte ja schließlich mit Fahrer und Beifahrer Verträge geschlossen, dass beide nur für dieses Team fahren durften, mussten ärztliche Untersuchungen durchlaufen und an Fitnessprogrammen teilnehmen. Die Firma durfte ihre Gesundheit regelmäßig kontrollieren. Zuerst bekam der Fahrer statt Geld ein Auto zur privaten Nutzung. Später gab es eine feste Jahresvergütung und Prämien. Die Pokale und Preise, die das Team gewann, blieben im Besitz der Autofirma. Auch das Aussehen der Rennausrüstung und der Fahrzeuge legte die Firma fest. Die Rentenversicherung stellte anhand dieser Prämissen fest, dass es sich um ein abhängiges Arbeitsverhältnis handelte.
Das LSG bestätigte diese Einschätzung. Die Firma bestimmte nicht nur die Arbeit selbst, sondern auch das komplette Umfeld. Fahrer und Beifahrer durften nicht für andere Teams fahren oder zusätzliches Geld durch Sponsoren verdienen. Der Beifahrer gab genaue Anweisungen, der Fahrer setzte sie direkt um - wie bei einem klassischen Team aus Chef und Ausführer. Außerdem lief alles rund um die Rennen - von der Anreise bis zur Abreise - nach den Plänen der Firma. Sie bestimmte den Ablauf, stellte alle nötigen Mittel wie Autos und Werkzeug zur Verfügung, und das Team trug kein unternehmerisches Risiko.
Hinweis: Wer eng in die Abläufe eines Unternehmens eingebunden ist, kein eigenes Risiko trägt und Vorgaben befolgen muss, arbeitet meist nicht selbständig. Auch der Wunsch, im Motorsport Karriere zu machen, macht daraus noch keinen freien Beruf.
Quelle: LSG Hessen, Urt. v. 16.05.2025 - L 1 BA 34/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich kürzlich mit der Frage befasst, ob Lohn auch in Bitcoin oder Ethereum ausgezahlt werden darf. In dem Fall aus der Kryptobranche traf das Gericht eine klare Entscheidung. Allerdings gibt es auch hierbei Einschränkungen - selbst, wenn beide Vertragsseiten anderes vereinbart haben. Lesen Sie hier, warum.
Eine Mitarbeiterin war bei einem Unternehmen beschäftigt, das mit Kryptowährungen handelt. Neben ihrem Gehalt hatte sie Anspruch auf Provisionen. Diese sollten in Ethereum (ETH) ausgezahlt werden - basierend auf dem Wechselkurs am Auszahlungstag. Doch die Firma zahlte lange Zeit nichts aus. Erst Ende 2021 überwies sie einen größeren Betrag in Euro. Die Mitarbeiterin war damit nicht zufrieden und forderte weitere 19,194 ETH - umgerechnet rund 43.000 EUR. Die Firma meinte jedoch, Löhne dürften nur in Euro gezahlt werden.
Das sah das BAG anders. Es erklärte: Zwar sei Ethereum kein offizielles Zahlungsmittel. Aber sogenannte "Sachbezüge" - also nicht in Geld ausgezahlte Teile des Gehalts - sind erlaubt, wenn sie im Interesse der Beschäftigten liegen. Genau das war hier der Fall. Beide Seiten hatten die Auszahlung in Ethereum vereinbart. Allerdings schränkte das Gericht ein: Ein Teil des Lohns muss immer in Euro gezahlt werden - und zwar so viel, dass dieser Teil nicht gepfändet werden kann. Damit soll verhindert werden, dass Beschäftigte plötzlich ohne Geld dastehen, wenn der Kryptokurs einbricht oder sie schnell Bargeld benötigen.
Hinweis: Solche Sonderregelungen sind nur möglich, wenn beide Seiten das ausdrücklich vereinbaren. Kryptowährungen können Teil des Gehalts sein - aber nur unter bestimmten Bedingungen. Ein pfändungssicherer Grundbetrag muss immer in Euro gezahlt werden.
Quelle: BAG, Urt. v. 16.04.2025 - 10 AZR 80/24
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(aus: Ausgabe 07/2025)
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste entscheiden, ob eine vorzeitig veröffentlichte Liste mit Wahlvorschlägen bei einer Betriebsratswahl im vereinfachten Verfahren automatisch zur Ungültigkeit der Wahl führt. Dabei war es anderer Meinung als die Kollegen der Vorinstanzen - weil es die entscheidende Frage beantworten konnte, ob es überhaupt eine klare gesetzliche Regel gibt, die ein vorzeitiges Aushängen verbietet.
In einem Betrieb mit rund 77 Beschäftigten fand im Mai 2022 eine Betriebsratswahl statt. Der Wahlvorstand hatte das Wahlausschreiben Ende März veröffentlicht und dabei alle Fristen und Hinweise bekanntgegeben. Am 06.05.2022 - dem letzten Tag für die Abgabe von Wahlvorschlägen - reichte der Wahlvorstand selbst eine Liste mit acht Kandidaten ein. Noch am selben Nachmittag erklärte er die Liste für gültig und hing sie aus. Zehn Tage später wurde gewählt. Die Arbeitgeberinnen des Gemeinschaftsbetriebs waren damit nicht einverstanden. Sie meinten, die Wahl sei ungültig, weil der Wahlvorstand seine Vorschlagsliste zu früh veröffentlicht habe - also vor Ablauf der gesetzlichen Frist für weitere Vorschläge. Das könne andere Bewerber abgeschreckt haben. Außerdem habe der frühere Betriebsratsvorsitzende, der auch im Wahlvorstand saß, seine Rolle nicht neutral ausgeübt.
Die Arbeitgeberinnen klagten und bekamen zunächst Recht - das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht (LAG) erklärten die Wahl für ungültig. Doch das BAG entschied anders. Zwar könne eine Wahl angefochten werden, wenn gegen wichtige Vorschriften verstoßen werde. Das gelte aber nur, wenn der Fehler das Wahlergebnis beeinflusst habe. Dass der Wahlvorstand die Liste am selben Tag der Abgabe schon nachmittags ausgehängt hatte, war nach Ansicht der Richter kein so schwerer Verstoß. Es gibt keine klare gesetzliche Regel, die ein vorzeitiges Aushängen verbietet. Wichtig ist nur, dass alle Fristen zur Abgabe von Vorschlägen eingehalten wurden. Und das war hier der Fall. Das BAG schickte den Fall zurück an das LAG - dort muss jetzt weiter geprüft werden, ob andere Gründe für eine gültige Anfechtung vorliegen.
Hinweis: Eine frühzeitige Veröffentlichung von Wahlvorschlägen ist nicht automatisch ein Fehler. Entscheidend ist, ob das Wahlergebnis durch den Vorgang beeinflusst wurde. Der Wahlvorstand darf nur neutral handeln, und Verstöße dagegen müssen bewiesen werden.
Quelle: BAG, Urt. v. 27.11.2024 - 7 ABR 32/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) musste entscheiden, ob eine Kündigung rechtens ist, weil ein krankgeschriebener Mitarbeiter während der Karnevalszeit an einer Veranstaltung teilgenommen hat. Dieser Fall zeichnet sich dadurch aus, dass er hervorragend aufzeigt, wie schwierig es sein kann, das richtige oder eben falsche Verhalten während einer Krankschreibung zu beurteilen.
Ein Logistikmitarbeiter war während der Karnevalszeit krankgeschrieben. Dann jedoch tauchte ein Video auf, das ihn bei einem sogenannten "Generalkorpsappell" in einem Hotel zeigte - in voller Karnevalsmontur. Der Arbeitgeber warf ihm daraufhin vor, gar nicht richtig krank gewesen zu sein, und kündigte ihm. Der Mitarbeiter wehrte sich gegen die Kündigung und erklärte, es habe sich nicht um eine klassische Karnevalsfeier gehandelt, sondern um eine Art Vereinsversammlung. Dort sei er nur kurz gewesen, um zu testen, wie belastbar er schon wieder sei. Zudem habe sein Arzt bestätigt, dass sein Atemwegsinfekt fast abgeklungen gewesen sei und die Teilnahme an der Veranstaltung seine Gesundheit nicht gefährdet habe. Der Arzt war von der Schweigepflicht entbunden und bestätigte das schriftlich.
Das reichte dem LAG. Das Gericht befand, dass der Mitarbeiter glaubhaft gemacht habe, wirklich krank gewesen zu sein. Damit wäre es nun am Arbeitgeber gewesen zu beweisen, dass die Krankheit nur vorgeschoben gewesen war. Eben dies konnte er aber nicht, und somit war die von ihm ausgesprochene Kündigung unwirksam.
Hinweis: Wer krankgeschrieben ist, darf nichts tun, was den Heilungsprozess gefährden könnte. Spaziergänge, Einkaufen oder Treffen mit Freunden sind aber oft erlaubt - je nachdem, woran man erkrankt ist. Entscheidend ist dabei immer, ob das entsprechende Verhalten die Genesung verzögert oder die Krankheit gar verschlimmern kann.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 21.01.2025 - 7 SLa 204/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Welche Daten seiner Mitarbeiter ein Arbeitgeber weitergeben darf, ist auch nach neun Jahren Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vielen unklar. Daher musste das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun auch über die Frage entscheiden, ob ein Arbeitgeber zu Testzwecken zu viele Mitarbeiterdaten an eine neue Personalsoftware weitergegeben hatte, und - wenn ja - welche Schadensersatzforderung hierbei anzusetzen sei.
Ein Unternehmen wollte eine neue Software zur Personalverwaltung testen und übermittelte dafür echte Mitarbeiterdaten an die Konzernmutter. Laut einer Betriebsvereinbarung durfte der Arbeitgeber auch bestimmte Daten weitergeben - wie Name, Eintrittsdatum und Arbeitsort. Tatsächlich aber schickte er zudem noch sensible Informationen wie Gehalt, Privatadresse, Geburtsdatum und Steuer-ID. Ein Mitarbeiter war damit nicht einverstanden. Er meinte, diese Daten seien für den Test nicht nötig gewesen, und verlangte 3.000 EUR Schadensersatz, weil er die Kontrolle über seine Daten verloren hatte.
Der Fall ging durch alle Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof und endete schließlich beim BAG. Eben dieses Gericht gab dem Mitarbeiter nun Recht - zumindest teilweise. Das BAG sah durchaus einen Verstoß gegen die DSGVO, weil der Arbeitgeber mehr Daten als erlaubt weitergegeben hatte. Doch in der Konsequenz zeigte sich das Gericht weniger großzügig als vom Mitarbeiter erwartet; es sprach dem Mann 200 EUR Schadensersatz zu.
Hinweis: Auch wenn der Schadensersatz gering war, kann ein Verstoß gegen den Datenschutz teuer werden - vor allem wegen des hohen Aufwands bei solchen Verfahren. Arbeitgeber sollten stets nur die Daten weitergeben, die wirklich notwendig sind - eine Betriebsvereinbarung ersetzt die datenschutzrechtlichen Grenzen nämlich nicht.
Quelle: BAG, Urt. v. 08.05.2025 - 8 AZR 209/21
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Zum Thema Familienrecht
- "Utah-Ehe" per Videotelefonie: Ehe muss in der in Deutschland vorgeschriebenen Form geschlossen werden
- Keine anwaltsspezifische Tätigkeit: Zur Vergütung einer während der Corona-Pandemie telefonisch bestellten Ergänzungspflegerin
- Konkreter Unterstützungsbedarf: Betreuerbestellung ohne Kenntnis über Aufenthalt des Betroffenen möglich
- Patientenverfügung vernachlässigt: Der BGH urteilt zu zwangsweiser Heilbehandlung und Dauer der Unterbringung
- Versorgungsträger berücksichtigen: Ausgleich von geringfügigen Anrechten liegt im familiengerichtlichen Ermessen
Die Digitalisierung hat die Welt näher zusammengebracht und vieles vereinfacht. Dass dies aber nicht dazu führen darf, dass bei Rechtsgeschäften geltende Formvorschriften unterlaufen werden, zeigt der folgende Fall, der vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (VG) landete. Dabei ging es um eine Hochzeit per Videotelefonie von Deutschland aus in den amerikanischen Rechtskreis hinein.
Ein Türke und eine Bulgarin hatten nach dem Recht des US-Bundesstaats Utah von Deutschland aus eine Ehe geschlossen, und zwar per Videotelefonie. In Bulgarien wurde diese Ehe dann auch anerkannt - jedoch nicht in Deutschland. Dem Ehemann wurde daraufhin die Abschiebung angedroht und der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte als Ehegatte einer EU-Bürgerin abgewiesen. Der Ehemann zog gegen diese Entscheidung und die Androhung vor Gericht.
Er scheiterte vor dem VG. Die Ehe kann nur in der in Deutschland vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Videotelefonie ist hier zwar möglich, die Eheschließungserklärungen selbst müssen aber in Deutschland abgegeben werden. Hier schloss man die Ehe ja in Utah. Die Anerkennung in Bulgarien spielt für Deutschland keine Rolle, insbesondere ergibt sich hieraus keine Verpflichtung zur Anerkennung. Eine Pflicht zur Anerkennung kann sich ergeben, wenn ein EU-Bürger sein Familienleben anderenfalls innerhalb der EU nicht weiter fortsetzen kann. Das war hier aber nicht der Fall, da die beiden in Deutschland jederzeit nach den deutschen Vorschriften nochmals heiraten können. Darfür bestünden keine Hinderungsgründe.
Hinweis: Die technischen Möglichkeiten können auch Eheschließungen erleichtern. Allerdings sollte immer geprüft werden, ob die gewählte Form der Eheschließung auch im Wohnsitzland anerkannt wird. Denn sonst muss man sich die Mühe der Eheschließung unter Umständen doppelt machen.
Quelle: VG Düsseldorf, Beschl. v. 03.06.2025 - 27 K 5400/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Die Corona-Pandemie ist überwunden, deren Rechtsfolgen noch nicht. Welche Vergütung steht zum Beispiel einem während der Pandemie telefonisch bestellten Ergänzungspfleger zu? Die Abrechnungsmodalitäten eines solchen Ausnahmefalls gingen im folgenden Fall bis vor den Bundesgerichtshof (BGH), der klären musste, wie eine Berufsbetreuerin zu vergüten sei.
Am 14.05.2019 ließen die Großeltern einen Schenkungs- und Übergabevertrag zur Übertragung von Grundeigentum auf die Enkelkinder beurkunden. Auf Seiten der Enkelkinder traten dabei deren Eltern auf. Für die ausstehende Genehmigung des Vertragsschlusses bestellte das zuständige Amtsgericht schließlich eine Ergänzungspflegerin für die Enkelkinder, bei der es sich um eine Berufsbetreuerin handelte. Die Verpflichtung erfolgte fernmündlich. Nachdem die Ergänzungspflegerin einige Punkte im Vertrag mit dem Notar erörtert hatte, genehmigte sie schließlich den Vertrag. Es bestünden keine Bedenken. Insbesondere ergab sich für die Enkelkinder keine Kostenlast, da der Vater die Übernahme etwaiger Kosten erklärt hatte. Später beantragte die Ergänzungspflegerin, ihre Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) festzusetzen, und errechnete rund 3.500 EUR bei einem Gegenstandswert von 260.000 EUR. Gegen diese Festsetzung richtete sich der Vater der Kinder.
Die Ergänzungspflegerin wurde nach Ansicht des BGH wirksam nach den damals geltenden Ausnahmeregelungen bestellt. Auch die Kosten wurden grundsätzlich wirksam festgesetzt. Die Vergütung des Ergänzungspflegers kann in Fällen wie dem vorliegenden auch gegen denjenigen festgesetzt werden, der sich zur Übernahme dieser Kosten vertraglich verpflichtet hat - in diesem Fall gegen den Vater. Allerdings konnte die Ergänzungspflegerin keine Kosten nach dem RVG geltend machen, denn dazu muss das Gericht bereits im Zusammenhang mit der Bestellung des Ergänzungspflegers aussprechen, dass dieser eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausübt. Dies war hier nicht erfolgt.
Hinweis: Anwaltsgebühren nach dem RVG gibt es also nur für anwaltsspezifische Tätigkeiten. Werden diese bei der Bestellung der Ergänzungspfleger nicht festgestellt, sind nur Gebühren nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern möglich. Achten Sie hierauf, bevor Sie vorschnell eine Rechnung begleichen.
Quelle: BGH, Urt. v. 16.04.2025 - XII ZB 227/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Eine Betreuung ohne Kenntnis des aktuellen Aufenthaltsorts eines Betreuten klingt zunächst absurd, da sie unmöglich erscheint. Und dennoch: Auch in Abwesenheit können für den Betreuten richtungsweisende positive Entscheidungen getroffen werden. In diesem Fall musste der Bundesgerichtshof (BGH) über die Bestellung eines Berufsbetreuers und die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts im Bereich der Vermögenssorge entscheiden.
Der Betroffene leidet an einer kognitiven Störung, die wahrscheinlich auf die beginnende Demenz zurückzuführen ist. Eine leichte Intelligenzminderung liegt ebenso vor. Der Mann drohte zu verwahrlosen. Im Jahr 2018 hatte der Mann einer nahestehenden Person eine umfassende notariell beurkundete Generalvollmacht erteilt. Trotzdem bestellte das zuständige Amtsgericht einen beruflichen Betreuer, unter anderem für Vermögenssachen. Ein Sachverständiger hatte dies nahegelegt. Ende 2023 widerrief der Betreuer die dem Vertrauten erteilte Vollmacht, so dass ein Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge angeordnet wurde. Bevollmächtigter und Betroffener legten Beschwerde ein und scheiterten. Der Rechtsbehelf wurde zurückgewiesen, ohne den Mann nochmal anzuhören. Denn dieser war am Heiligabend 2023 unter ungeklärten Umständen aus seiner Wohneinrichtung verschwunden und wird seitdem vermisst.
Der BGH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und betonte: Eine Betreuung ist nicht nur bei subjektiver Unfähigkeit des Betroffenen, seine Angelegenheiten selbst zu regeln, anzuordnen, sondern auch dann, wenn ein konkreter Unterstützungsbedarf besteht. Deshalb kann eine Betreuung auch angeordnet werden, wenn der Aufenthaltsort des zu Betreuenden derzeit unbekannt sei. Die Post, Behördengänge und weitere Tagesgeschäfte müssten schließlich trotzdem erledigt werden. Der angeordnete Einwilligungsvorbehalt sei schon deshalb notwendig, da dem Mann wegen seiner Krankheit und Persönlichkeitsstruktur eine konkrete massive Fremdbeeinflussung drohe. Dies könne sein Vermögen gefährden.
Hinweis: Bei der Betreuung geht es immer um das Wohl des Betroffenen. Insbesondere dessen Vermögen kann und muss auch in Abwesenheit geschützt werden. Deswegen kann auch eine Betreuung in Abwesenheit angeordnet werden.
Quelle: BGH, Beschl. v. 09.04.2025 - XII ZB 235/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Die richtigen Entscheidungen für psychisch Erkrankte zu treffen, ist oft schwer. Man weiß nicht, ob man ihnen wirklich etwas Gutes tut oder in ihre Rechte eingreift, ohne eine ausreichende Grundlage dafür vorweisen zu können. Selbst Gerichte können bei dieser schwierigen Abwägung irren. Gut, dass es bei derlei Irrtümern den Bundesgerichtshof (BGH) gibt. Dieser urteilte im Folgenden für die Betroffene und gegen die Kollegen der Vorinstanz.
Eine an paranoider Schizophrenie leidende Frau war bereits mehrfach untergebracht worden. In der von ihr verfassten Patientenverfügung lehnte sie die Einnahme von Neuroleptika und Antidepressiva grundsätzlich ab. Ihre Betreuerin beantragte im September 2024 die Unterbringung, die Betroffene kam in eine geschützte Einrichtung. Die Betreuerin willigte zudem in eine ärztliche Zwangsmedikation ein - befristet bis zum 07.11.2024. Das Landgericht Dresden (LG) bestätigte die Unterbringung. Den Antrag der Betroffenen auf Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Wohnstätte lehnte es jedoch ab. Die Betroffene legte Beschwerde beim BGH ein.
Der BGH hob die Entscheidung des LG bezüglich der Unterbringung auf und stellte fest, dass die bereits abgelaufenen Zwangsbehandlungsmaßnahmen rechtswidrig gewesen seien. Nach Ansicht des BGH liegen die Voraussetzungen für eine Unterbringung zur Heilbehandlung nicht vor. Denn diese setze voraus, dass die Behandlung auch durchgeführt werden könne. Dies gehe nur über den natürlichen Willen des Betreuten zur Behandlung. Liegt dieser Wille nicht vor, müssen die Zwangsbehandlungen wirksam genehmigt werden. Das LG hatte diese nur bis zum 07.11.2024 genehmigt, dabei aber nicht ausreichend begründet, warum darüber hinaus noch Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden können. Auch wurde die Patientenverfügung der Betroffenen nicht ausreichend beachtet. Man hatte sie wegen der Erkrankung der Betroffenen schlichtweg als unwirksam erachtet, ohne in eine genaue Prüfung zu gehen.
Hinweis: Auch bei psychisch erkrankten Menschen ist der in einer Patientenverfügung festgehaltene Wille zu beachten bzw. zu prüfen, ob die Betroffenen einsichtsfähig genug sind, in diesem Bereich wirksam für sich selbst zu entscheiden.
Quelle: BGH, Beschl. v. 05.02.2025 - XII ZB 547/24
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Erklären Eheleute im Zuge ihrer Scheidung beim Versorgungsausgleich einvernehmlich, vom Ausgleich zweier geringfügiger Versorgungsanrechte abzusehen, dann ist es nur recht und billig, wenn das Familiengericht dem im Endeffekt folgt. Allerdings darf man dabei Versorgungsträger wie die Rentenversicherung nicht vergessen, wie der folgende Fall des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG) zeigt.
Die Eheleute hatten im Rahmen ihrer Scheidung auch den Versorgungsausgleich geregelt. Auf den Ausgleich zweier geringfügiger Anrechte verzichteten sie einvernehmlich. Sie ließen dies durch ihre Anwälte entsprechend erklären. Dem folgte das Familiengericht. Die Versorgungsträger richteten dagegen aber eine Rechtsbeschwerde.
Die Beschwerde war zwar auch nach Ansicht des OLG begründet, aber im Endeffekt gewannen die Versorgungsträger dadurch nichts. Denn das Gericht änderte den Beschluss dahingehend ab, dass die Anrechte zwar an sich auszugleichen wären, vom Ausgleich aber abgesehen wird. Das Familiengericht durfte dahingehend wegen der Geringfügigkeit der Ausgleichswerte eine Ermessensentscheidung ausüben. Bei der Ermessensentscheidung war auch die Entscheidung der Eheleute ausschlaggebend. Beide waren mit dem Absehen vom Ausgleich einverstanden. Im Endeffekt entspricht dies auch dem Interesse des Versorgungsträgers.
Hinweis: Verzichte sollten im Rahmen des Versorgungsausgleichs immer auch mit den Versorgungsträgern abgestimmt sein. Geht es um einen Ausgleich von höheren Werten, wird ein Verzicht nicht ohne die Zustimmung der Versorgungsträger möglich sein, da der Verzicht sonst zu deren Lasten gehen würde. Bei geringfügigen Werten ist die Sachlage anders, der Verzicht kommt günstiger als der Verwaltungsaufwand des Ausgleichs.
Quelle: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.03.2025 - 20 UF 6/25
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Zum Thema Sonstiges
- Bei Datenschutzverstößen: BGH urteilt über Klagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden
- Bitte setzen! Hitzeschützende Fußmatten gehören nicht zur Verkehrssicherungspflicht von Dampfsaunabetreibern
- Datenverarbeitung ohne Rechtsgrundlage: Meta muss Persönlichkeitsprofile löschen und Schadensersatz zahlen
- Hecken sind Ländersache: In Hessen zählt statt Höhenbegrenzung nur Mindestabstand zum Nachbarn
- Vorbeugung von Missbrauch: Festivalbetreiber darf Rücktauschfrist und Betragsgrenze von Token festsetzen
Im folgenden Fall ging es um einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Informationspflichten der wohl immer noch bekanntesten Social-Media-Plattform. Dagegen geklagt hatte ein Verbraucherschutzverein - und zwar ohne expliziten Auftrag eines von diesem Datenschutzverstoß Betroffenen. Bevor er die Klage inhaltlich und rechtlich bewerten konnte, musste der Bundesgerichtshof (BGH) zuerst einmal klären: Darf der Verbraucherschutzverein das überhaupt?
In dem Fall ging es um das soziale Netzwerk Facebook. Nutzer konnten dort über ein "App-Zentrum" Spiele starten. Vor dem Start erschien ein Hinweis, dass die Spieleanbieter auf viele persönliche Daten zugreifen dürfen - etwa E-Mail-Adresse, Statusmeldungen oder Fotos. Außerdem hieß es, dass die Anwendung in ihrem Namen posten dürfe. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fand das nicht in Ordnung und meinte, die Nutzer würden nicht klar genug über die Datenverwendung informiert. Das sei nicht nur ein Verstoß gegen Datenschutzregeln, sondern auch wettbewerbswidrig. Deshalb wollte er Facebook per Klage verbieten lassen, solche Hinweise zu verwenden. Facebook sah das anders und wehrte sich bis vor den BGH.
Der BGH aber gab den Verbraucherschützern Recht: Verbände dürfen klagen, wenn Datenschutzvorgaben verletzt werden - und zwar auch, ohne dass ein Betroffener mitmacht. Es reiche völlig aus, wenn viele Menschen potentiell betroffen sind. Die Richter stimmten zudem der Annahme zu, dass die Hinweise im App-Zentrum unklar und unvollständig waren. Die Nutzer würden nicht verständlich darüber informiert werden, welche Daten wie und warum verarbeitet werden. Genau solche Informationen seien aber wichtig, damit Menschen bewusst entscheiden können, ob sie zustimmen wollen oder nicht. Deshalb dürfen Verbraucherschutzverbände hier einschreiten.
Hinweis: Verbraucherschutzverbände können gegen Datenschutzverstöße auch vorgehen, wenn keine einzelne betroffene Person klagt. Unternehmen müssen Nutzer klar und verständlich über die Datenverarbeitung informieren. Unklare Hinweise verstoßen häufig gegen Datenschutz- und Wettbewerbsrecht.
Quelle: BGH, Urt. v. 27.03.2025 - I ZR 186/17
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Haben Sie schon längere Zeit in einer Sauna gestanden oder andere dort stehend verweilen sehen? Der folgende Fall des Landgerichts Coburg (LG) macht klar, warum das aller Wahrscheinlichkeit nicht so ist. Die folglich zu klärende Frage war, ob ein Saunabetreiber für Verbrennungen an den Füßen eines Gastes haften muss, der beim Verlassen einer Sauna länger stehenblieb und sich dabei verletzt hatte.
Ein Mann wollte sich in einer Sauna entspannen, die etwa 90 °C Betriebstemperatur aufwies. Beim Hinausgehen blieb der Mann noch ein bis zwei Minuten auf den Kunststoffmatten in der Nähe des heißen Saunaofens stehen, um mit einem Bekannten zu plaudern. Kurz darauf schmerzten seine Füße, und es stellte sich heraus, dass er sich beim abschließenden Schwätzchen Verbrennungen zugezogen hatte, die ärztlich behandelt werden mussten. Der Mann verlangte daraufhin 5.000 EUR Schmerzensgeld vom Betreiber der Saunalandschaft, da er meinte, der Boden sei zu heiß gewesen und die Kunststoffmatten hätten ihn nicht vor der Hitze geschützt.
Das LG wies die Klage jedoch ab. Das Gericht war der Auffassung, dass der Betreiber keine Schuld trägt. Die Temperaturen am Boden seien mit 55 °C bis 60 °C für diese Art Sauna normal. Die Matten seien rutschfest und damit für ihren eigentlichen Zweck geeignet gewesen - Hitzeschutz gehörte nicht dazu. Außerdem sei es unüblich, lange an einer Stelle auf dem heißen Boden zu stehen. Die Sauna sei ein Ort der Ruhe - kein Platz für längere Gespräche. Dass es bei langem Stehen zu Verbrennungen kommen kann, sei jedem klar. Der Betreiber müsse daher auch keine besonderen Schutzmaßnahmen für solche Situationen treffen.
Hinweis: Die Sauna ist kein Treffpunkt für Smalltalk im Stehen, sondern dient der Entspannung. Wer zu lange steht, riskiert Verletzungen. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Quelle: LG Coburg, Urt. v. 18.11.2024 - 52 O 439/23
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Der Meta-Konzern und der Datenschutz - eine Kombination, die offensichtlich nie zueinander passen wird. Denn wie heißt es so schön: Wenn du für ein Produkt nichts zahlst, bist womöglich du das Produkt. Das Landgericht Berlin II (LG) hat diesem Denken und vor allem Handeln jedoch einen Riegel vorgeschoben, was personenbezogene Daten angeht, die über sogenannte Meta-Business-Tools gesammelt wurden.
Die Betroffenen hatten geklagt, weil Meta ihre Aktivitäten auf vielen Websites und in Apps mitverfolgt und ausgewertet haben soll. Diese Websites nutzten die sogenannten Meta-Business-Tools, die Daten automatisch an Meta weiterleiten - oft, ohne dass Nutzer davon etwas mitbekommen. So konnte Meta zum Beispiel erfahren, ob jemand eine Apotheke besucht, eine politische Meinung äußert oder ob ein Suchtrisiko bestehe. Die gesammelten Infos wurden laut Gericht genutzt, um Persönlichkeitsprofile zu erstellen, ohne dass die Nutzer das erlaubt hatten. Meta meinte, nicht selbst verantwortlich zu sein, da es die jeweiligen Websitebetreiber seien, die die Tools einsetzen. Außerdem würden persönliche Daten nur genutzt, wenn jemand eingewilligt habe - sonst nur zu Zwecken wie Sicherheit oder Systemschutz.
Das sah das LG jedoch anders und entschied, dass Meta die Daten ohne gültige Einwilligung verarbeitet und damit gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen habe. Deshalb müssen die Daten gelöscht oder anonymisiert werden. Und weil dabei Persönlichkeitsrechte verletzt wurden, bekommt jeder Betroffene 2.000 EUR Schadensersatz.
Hinweis: Noch sind die Urteile nicht rechtskräftig - Meta kann dagegen Berufung einlegen. Wer Onlinedienste nutzt, muss sich jedoch auf den Schutz der eigenen Daten verlassen können. Persönlichkeitsprofile ohne Zustimmung zu erstellen, ist nicht erlaubt. Gerichte schützen hier die Rechte der Nutzer.
Quelle: LG Berlin II, Urt. v. 04.04.2025 - 39 O 56/24
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Wie hoch eine Hecke sein darf, entscheidet das jeweilige Landesrecht. Um einem Zwist mit Grundstücksnachbarn vorzubeugen, sollte der Zollstock dabei jedoch nicht nur in die Höhe gereckt werden. Denn der Abstand zum jeweiligen Nachbarn ist für eine Hecke, die hoch hinaus will, fast noch wichtiger. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich nun mit einem hessischen Bambusgewächs und den diesbezüglichen Urteilen der Vorinstanzen beschäftigen.
In dem Fall ging es um zwei Grundstücke in Hessen. Die Beklagte hatte auf einer alten Aufschüttung an der Grenze zu ihrem Nachbarn Bambus gepflanzt. Und dieser tat, was von einem gesund gedeihenden Bambus erwartet wird: Er wuchs tüchtig, so dass bei sechs bis sieben Metern Schluss war mit der Geduld des Grundstücksnachbarn. Dieser verlangte, dass die Pflanzen auf drei Meter zurückgeschnitten werden. Das Landgericht gab ihm noch recht, das Oberlandesgericht (OLG) wies die Klage dann jedoch ab - nun war der BGH gefragt.
Der BGH hob das Urteil auf - aber nicht, weil der Bambus zu hoch war, sondern wegen eines Verfahrensfehlers des OLG. Das war zwar davon ausgegangen, dass der Nachbar den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand von 75 cm zur Grenze eingehalten habe, woran der BGH jedoch so seine Zweifel hegte. Daher muss das OLG nun prüfen, ob der Abstand auch wirklich eingehalten wurde. Denn grundsätzlich gilt: Nur wenn eine Hecke zu nah an der Grenze steht, kann ein Rückschnitt verlangt werden. Eine Maximalhöhe für Hecken gibt es in Hessen dabei nicht, nur eben die Vorschrift, dass Hecken von zwei Metern Höhe den erwähnten Mindestabstand zum Nachbargrundstück einhalten müssen. Wichtig war in diesem Fall, auch zu betonen, dass die zulässige Höhe dabei vom Boden des Grundstücks gemessen wird, auf dem die Hecke steht - auch wenn dieses höher liegt als das Nachbargrundstück, so wie hier durch eine Aufschüttung. Nur wenn das Gelände künstlich aufgeschüttet wurde, um die Pflanzen höher wirken zu lassen, zähle das ursprüngliche Bodenniveau. Im vorliegenden Fall war die Aufschüttung aber schon Jahrzehnte alt. Deshalb ist der Bambus trotz seiner Höhe möglicherweise erlaubt.
Hinweis: Hecken dürfen grundsätzlich so hoch wachsen, wie es das jeweilige Landesrecht erlaubt. Eine feste Höhengrenze - zum Beispiel drei Meter - gibt es nicht automatisch. Wichtig ist vor allem der Abstand zur Grundstücksgrenze.
Quelle: BGH, Urt. v. 28.03.2025 - V ZR 185/23
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2025)
Ein Token - einst der Begriff für einen frühgeschichtlichen Rechenstein - hat sich heute zwar ins Digitale verflüchtigt, dabei aber nicht an Wert verloren. So gelten Bitcoins als Token oder auch Wertmarken auf Festivals - eine praktische Sache für beide Seiten an den dortigen Verkaufstheken. Was aber damit passiert, wenn man zu viel davon gekauft hat und nach der Veranstaltung weder Lust noch Zeit für einen sofortigen Umtausch hat, musste das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) entscheiden.
Bei einem großen Musikfestival durften Besucher nur mit speziellen Token bezahlen, etwa für Essen und Getränke. Diese Token konnte man nur direkt auf dem Festivalgelände kaufen - und auch nur dort wieder zurücktauschen. Die Regeln des Veranstalters sahen vor: Der Rücktausch ist nur während der Öffnungszeiten an den Festivalkassen und nur bis zu einem Höchstwert von 50 EUR möglich. Nach dem Festival oder im nächsten Jahr ist eine Rückgabe nicht mehr erlaubt. Ein Verbraucherschutzverband klagte dagegen. Die Begründung: Gerade am Ende des Festivals sei der Andrang groß. Manche könnten ihre restlichen Token nicht mehr loswerden - zum Beispiel, weil sie schnell zum Zug müssten. Auch die Grenze von 50 EUR sei unfair, da die Besucher vorab nicht wissen könnten, wie viel sie auf dem Gelände brauchen.
Das OLG sah das anders. Es hielt die Regelungen durchaus für rechtens. Die Rücktauschfrist sei zugegeben zwar kurz, deshalb aber nicht automatisch unangemessen. Besucher wüssten schließlich vorher, dass die Token nur auf dem aktuellen Festival gelten. Außerdem sei ein späterer Rücktausch aufwendig - und zwar für beide Seiten. Eine Rückgabe nach dem Festival oder gar erst im nächsten Jahr würde zudem die Gefahr erhöhen, dass gefälschte Token auftauchen. Auch die Grenze von 50 EUR sei verständlich. Laut Veranstalter geben die meisten Besucher sowieso höchstens 35 EUR pro Tag aus. Wer deutlich mehr Token zurückgeben wolle, handle daher eher ungewöhnlich - was ein Hinweis auf Missbrauch sein könne.
Hinweis: Die Entscheidung ist noch nicht endgültig. Der Bundesgerichtshof soll in der nächsten Instanz klären, ob solche Fristen grundsätzlich erlaubt sind.
Quelle: OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.04.2025 - I-20 UKl 9/24
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 07/2025)